Brand Salience

Mehr Umsatz, eine höhere Preisbereitschaft und resilienter in Krisenzeiten? Das Zauberwort lautet ‚Brand Salience‘. Wir starten rein.

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Woher kommt der Begriff?

Salience, im Deutschen Salienz, kommt vom lateinischen ‚saliere‘, und lässt sich mit  ‚springen, hervorspringen‘ übersetzen. Seine moderne Bedeutung bekam es 1938: In der kognitiven Psychologie beschreibt Salienz jene Eigenschaft eines Reizes, der aufgrund seiner Auffälligkeit besonders leicht die Aufmerksamkeit auf sich zieht und prominenter im Gedächtnis verfügbar bleibt.

Bis hin zu den 1970ern war das wissenschaftliche Fundament etabliert: Unsere selektive Aufmerksamkeit wird von salienten Stimuli angezogen. Moderne Forschung hat das Konzept mit Verfügbarkeitsheuristik zusammengeführt und gezeigt, dass lebhafte, frische oder emotional aufgeladene Informationen unsere Entscheidungen überproportional beeinflussen.

Das Ehrenberg Bass Institute, rund um die Arbeit von Jenni Romaniuk und Byron Sharp, hat Brand Salience Anfang der 2000er als messbares Marketing-Konzept etabliert. Prägend gilt ihre Publikation „Conzeptualizing and measuring brand salience“ im Marketing Theory Journal im Jahr 2004.

Brand Salience ist die Neigung einer Marke in Kaufsituationen wahrgenommen oder ins Gedächtnis gerufen zu werden.

Worin unterscheidet sich Brand Salience zu Brand Awareness?


Es gab bereits ähnliche Modelle, wie zum Beispiel spontane Markenbekanntheit, gestützte Markenbekanntheit oder Top-Of-Mind Awareness, wozu also das neue Konzept? Das Awareness-Konzept wurde für gewisse Anwendungen durch Erkenntnisse aus der Gehirnforschung zu unscharf. 

Am Beispiel der Fragestellung in der Marktforschung zeigt sich, warum das so ist.

Spontane Markenbekanntheit:
Wenn Sie an Automobile denken, welche Marken fallen Ihnen ein?
Mercedes, Volkswagen

In diesem Fall wäre Mercedes als erstgenannte Marke „Top-Of-Mind“.

Gestützte Markenbekanntheit:
Kennen Sie eine der folgenden Automarken? BYD, Mercedes, Volkswagen, Volvo,…
Volvo, Mercedes, Volkswagen

Brand Salience:
Welche Marke fällt Ihnen ein, wenn…

Sie einen Geländewagen kaufen möchten? Range Rover
Sie ein familientaugliches Auto kaufen möchten? Volkswagen
Sie einen verlässlichen Gebrauchtwagen suchen? Maserati

Hier werden realistischer und kaufnähere Situationen abgefragt und untersucht. So sieht man häufig, dass die bekanntesten (Awareness) Marken, in tatsächlichen Kaufsituationen nicht immer in Betracht gezogen werden.

Die reine Brand Awareness steht also zeitlich vor Brand Salience – sie hat das Ziel, eine Marke bekannter zu machen, während Brand Salience auf die Kaufsituation einer Marke abzielt.

Dieses Unterscheidung ist für Marken essenziell, um marktorientierte Positionierung und Targeting korrekt umzusetzen.

Die Evolution zu Mental Availability

Das State-Of-The-Art Konzept ist die sogenannte “Mental Availability“  - also die geistige Verfügbarkeit von Marken. Was mehr oder weniger ein Re-Branding der ‘Brand Salience’ ist, hat ein paar kleine, feine Unterschiede.
Der Begriff wurde 2010 von Byron Sharp in seinem Marketingklassiker ‘How Brands Grow’ in Kombination mit der ‘Physical Availabilty’ populär.

Die wichtigste Ergänzung im Vergleich zu ‘Brand Salience’: ‘Mental Availability’ betrachtet mehrere mögliche Kaufsituationen.

Konkret bedeutet das:
‚Brand Salience‘= Kommt meine Marke in einer spezifischen Kaufsituation ins Gedächtnis?
‚Mental Availability‘ = Erinnert man sich in verschiedensten Kaufsituation einfach an meine Marke?

’Mental Availability’ bezieht sich hier also eher auf die Summe verschiedenster Kaufsituationen – das mentale Netzwerk, das eine Marke aufgebaut hat.


Visualisierung von Dan White ‘The Purchase Journey In The Mind

Funktionsweise

Unser Gehirn ist darauf programmiert Aufmerksamkeit auf hervorstechende Reize zu lenken und diese gespeicherten Reize als Short-Cuts für Lösungen zu nutzen, um ohne große kognitive Anstrengungen auskommen und Energie zu sparen.

Codes oder Cues, die frisch (Recency Bias), emotional aufgeladen oder distinkt sind, vereinnahmen und beeinflussen unsere Aufmerksamkeit und Entscheidungen bevor sich unser Bewusstsein einschaltet. In Kaufsituationen sind es diese Codes oder Cues, die eine Marke ins Gedächtnis rufen. Eine Marke, die also viele etablierte Verbindungen in unserem Gedächtnis aufweist, kommt bei Käufen leichter ins Gedächtnis.

Das Marketingziel lautet in diesem Kontext also:

i) eine Marke emotional aufzuladen

ii) nach Möglichkeit regelmäßig die Zielgruppe zu erreichen und

iii) eine hohe Wiedererkennbarkeit zu erreichen.

Wie bauen Marken ‘Brand Salience’ auf?

· Distinctive Brand Assets aufbauen. Also Signale und Codes, die die Marke einfach wiedererkennbar machen. Das geht vom Logo, über Fluent Devices (wie zB Meister Propper, den Cartier Panther oder Captain Iglo) hin zu Jingles oder Slogans.

· Emotionale Assoziationen schaffen. Informationen, die uns emotional berühren, haben eine höhere Chance ins Langzeitgedächtnis zu gelangen und auch dort gespeichert zu werden.

· Bedürfnisrelevanz erreichen. Konsument:innen, die einem Problem gegenüberstehen (‚Ich brauche eine neues Auto‘), kommen  Marken, die mit der Lösung assoziiert sind, besser ins Gedächtnis. (siehe Category Entry Points)

Wie erhält man ‚Brand Salience‘?

Unser Gedächtnis sortiert irrelevante und alte Informationen stetig aus und braucht je nach bestehender mentaler Netzwerkstärke und -breite mehr oder weniger häufigere Auffrischungen.

· Konsistenz. Distinctive Brand Assets sollten immer und überall konstant verwendet werden. Diesen Punkt kann man kaum überstrapazieren.

· Präsenz. Je öfter Marken bestehende Verbindungen auffrischen, desto stärker werden diese.

· Alle Touchpoints mitdenken. Von Instagram, über Customer Service  bis hin zum Produkt-Erlebnis: In unserer fragmentierten Medienwelt ist es wichtiger denn je, konsistent über alle Berührungspunkte wahrgenommen zu werden und kognitive Dissonanz zu vermeiden.


Was haben Marken davon ‚salient‘ zu sein?


Verschiedene Studien zeigen mittlerweile, dass 70% bis 90% der Kaufentscheidungen an die Marken gehen, die als erstes in Gedächtnis kommen. Das trifft auch auf B2B zu.

Unsere „Cognitive Laziness“ möchte nicht über sieben verschiedene Marken und Anbieter nachdenken und der „Mere exposure effect“ trägt das seinige dazu bei. Wenn man eine Marke im Kopf hat, erwägt man sie öfter, mag sie eher und geht in keinen rein rationalen Vergleichsprozess mit anderen Optionen.

Saliente Marken erzielen mehr Umsatz, besitzen eine höhere Preismacht, ihr Marketing ist effektiver und sie sind in Zeiten von Krisen resilienter.

Ist Brand Salience auch für B2B-Unternehmen relevant? Ja, absolut. 😉

Es gibt natürlich vieles weiteres zum Thema zu erzählen – ich hoffe, dass der Artikel einen guten Überblick zum Konzept bietet.

Herzlichen Dank fürs Lesen! Ich freue mich sehr auf Input, Diskussion oder Punkte zum Thema, die Euch noch interessieren würden!


Quellen & Leseempfehlungen:

What B2Bs Need to Know About Their Buyers, Harvard Business Review
https://hbr.org/2022/09/what-b2bs-need-to-know-about-their-buyers

Brand Salience: Why It’s Important For Your Brand, Branding Strategy Insider
https://brandingstrategyinsider.com/brand-salience-why-its-important-for-your-brand/

How To Measure Brand Salience, Byron Sharp
https://byronsharp.wordpress.com/2008/03/26/how-to-measure-brand-salience/

Conzeptualizing and measuring brand salience, Romaniuk, Sharp
https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/1470593104047643

Brand Salience vs. Brand Awareness, Linus Luka Bahun
https://linuslukabahun.de/brand-salience-markensalience-vs-brand-awareness-markenbekanntheit

Marketers are often playing a second game of chess against an unseen opponent, Marketing Week
https://www.marketingweek.com/marketers-playing-chess-unseen/

Remembering The Contribution Of Frank Bass To Marketing, Ehrenberg Bass
https://marketingscience.info/remembering-the-contribution-of-frank-bass-to-marketing/

A feature-integration theory of attention, Treisman; Gelade
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/0010028580900055

What is the Meaningful Different and Salient (MDS) framework, Kantar
https://www.kantar.com/inspiration/brands/what-is-the-meaningful-different-salient-framework

What we know about the theories of brand growth, WARC
https://www.warc.com/content/paywall/article/bestprac/what-we-know-about-the-theories-of-brand-growth/en-gb/107830?#:~:text=Well%2Destablished%20brand%20growth%20theories,%2C%20'impact'%20and%20inspiration.

Why do we focus on items or information that are more prominent and ignore those that are not?, The Decision Lab
https://thedecisionlab.com/biases/salience-bias

Standing out is the kay brand challenge, Mark Ritson
https://www.marketingweek.com/mark-ritson-standing-out-brand-challenge-codes/

At the Roots of Product Placement: The Mere Exposure Effect, Ruggieri; Boca
https://ejop.psychopen.eu/index.php/ejop/article/view/522/522.html

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